Dienstag, 11. Dezember 2012

Legales Kopieren und die Auswirkungen auf OER


Am 6. Dezember 2012 beschloss die Kultusministerkonferenz, die Regeln für Digitalisate neu festzulegen. Man einigte sich auf ein liberaleres Kopier- und Nutzungsrecht.
Das bedeutet, dass Lehrer ab dem 1. Januar 2013 digitale Kopien von Schulbuchmaterial machen dürfen, diese auf ihrem Rechner und z.B. auf ihrem USB-Stick speichern dürfen, um sie dann im Unterricht über den Beamer zu zeigen.
Vervielfältigungen an die Schüler zu verteilen bleibt (digital) leider weiterhin verboten. Auch in passwortgeschützen Lernumgebungen. [update: diese Information ist bisher nur eine Vermutung - eine Anfrage beim Verband blieb unbeantwortet]
Zahlreiche Beispiele, was erlaubt und was verboten ist, findet man auf den Seiten des Verbands Bildungsmedien. [update: veraltete Informationen]

Meines Erachtens ist die Neuregelung eine notwendige Entwicklung, die die Arbeit einiger Kollegen legalisiert, jedoch leider auch deutliche Grenzen beibehält.

Hier lohnt sich nun ein näherer Blick in die Lehrerzimmer der Republik.
Meine Beobachtungen an verschiedenen Schulen und die Rückmeldungen bloggender Kollegen legen die folgende Kategorisierung von Lehrern nahe:

  1. Da gibt es die knappe Mehrzahl an Kollegen, die so gut wie keine elektronischen Geräte für den Unterricht nutzt. Diese Lehrer haben in der Vergangenheit den Verlagen keinen "Schaden" zugefügt, da sie deren Materialien nicht digitalisiert verwenden.
  2. Dann gibt es vermutlich Kollegen, die nutzen immer wieder mal Beamer und interaktive Tafeln oder zumindest den heimischen Rechner zur Erstellung von Arbeitsblättern. Diese Kollegen haben sich in der Vergangenheit wenig um die Rechtslage geschert, wenn es um die Einbindung von Verlagsmaterial in ihre digitalen Tafelbilder oder in ihre ausgedruckten Arbeitsblätter geht.
  3. Das führt mich dann zu der verschwindend geringen Zahl an Kollegen, die schwerpunktmäßig digital arbeiten (lassen), sich der bisherigen Rechte-Lage bewusst sind und die sowohl in ihren Tafelbildern als auch in ihren Arbeitsblättern Schulbuchmaterial vermeiden. Diese Lehrer wurden durch die bis einschließlich 2012 gültige Rechtslage geradezu zu Offenen Bildungsmaterialien (OER) gedrängt. Der Lehrertyp 3 entwirft (digitale) Arbeitsblätter und Online-Kurse mithilfe frei verfügbarer Internetquellen und nutzt CC-lizensiertes Material.
Diese Lehrer werden weder so geboren noch werden sie entsprechend ausgebildet (die wenigsten Studienseminare dürften Themen wie Urheberrecht und Lizenzmodelle in ihrem Curriculum haben). Häufig entwickeln sich solche Kollegen nach und nach aus Lehrertyp 2. Dies geschieht, wenn ihnen bewusst wird, dass die bisher gültige Rechtslage eine sinnvolle, legale Einbindung in den multimedialen Unterricht kaum zulässt.
Diese Entwicklung vom fraglos nutzenden zum Alternativen suchenden Lehrer wäre um so stärker ausgeprägt gewesen, je intensiver die Verlage ihre Zwangsmaßnahmen (Stichwort: Schultrojaner) durchgesetzt hätten. Die Angst vor Strafe hätte die Zahl der Typ-2-Lehrer vermindert und zum einen mehr Computerverweigerer, zum anderen mehr OER-Kollegen hervorgebracht.
Dementsprechend war es eine ungewollt kluge Entscheidung der Bildungsverlage, ihre Bestrebungen nach verdachtloser Bespitzelung von Schulrechnern aufzugeben.

Die Frage, die sich nun stellt, ist, wie sich die Produktion Offener Bildungsmaterialien nach der Legalisierung der Digitalisierung von Schulbuchmaterial entwickelt?

Ein Lehrer, der bisher sein digitalisiertes Schulbuchmaterial ohne Rücksicht auf Rechteinhaber und Lizenzen im Unterricht verwandt hat, wird nun, nach Legalisierung seines gewohnten Arbeitsverhaltens, deutlich weniger Ansporn haben, nach offenen/freien Alternativen zu suchen oder gar eigenes CC-lizensiertes Material zu entwickeln, da er seine bisherigen mit Verlagsmaterial gespickten Arbeitsblätter und Tafelbilder bedenkenlos weiter verwenden kann.
Und da der Output von OER, der vor der Novellierung der Nutzungsrechte aus der Lehrerschaft erwuchs, eh schon nicht so groß war, wie es sich Befürworter gewünscht hätten, ist fraglich, ob mit der neuen Regelungen die positive Entwicklung von OER aufrecht erhalten werden kann.

Ich würde es mir wünschen. Denn die Änderung der Nutzungsrechte bringen meinem Unterricht wenig. Will man nicht nur digital "vorturnen" sondern die Schüler handlungsorientiert in die informationstechnologisch unterstützte Arbeit einbeziehen (möglichst mit einer 1:1 Ausstattung), sind Offene Bildungsmaterialien unerlässlich.

2 Kommentare:

  1. Zu einem ähnlichen Schluss bezüglich der Auswirkungen der neuen Vereinbarung der Kultusministerien mit den Verlagen bin auch ich gekommen. Allerdings denke ich, dass mit der Vereinbarung lediglich ein Argument verloren gegangen ist, um Lehrer von der Nutzung (und Erstellung) von OER zu überzeugen. Ich erlebe es im Kollegium häufig, dass man eben bei den Materialien der Verlage nicht das findet, was man sucht und sich dann im Internet auf Suche begibt. In diesem Fall nutzt die Vereinbarung nichts.
    Es bleibt zudem abzuwarten, wie die Vereinbarung genau im Detail aussehen wird, etwa wenn es darum geht, Elemente aus Verlagsmaterial in eigenes Material einzubinden. Wenn das möglich ist, ist der Nutzen sehr beschränkt, nämlich auf den Ersteller selbst und seine/ihre Lerngruppe. Die Weitergabe an einen anderen Kollegen wäre mit der neuen Vereinbarung, soweit bereits abzusehen, nicht statthaft.

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