Sonntag, 27. Oktober 2013

Rezension: Facebook, Blogs und Wikis in der Schule

Philippe Wampfler, der Autor des Buchs Facebook, Blogs und Wikis in der Schule, ist Gymnasiallehrer und (wer seinen Blog besucht, wird dies deutlich erkennen) digitaler Praktiker.

Wer sein 174 Seiten langes Taschenbuch liest, den erwartet jedoch keine Darstellung von Nutzungsmöglichkeiten für den Unterricht. Vielmehr wird grundlegend das Nutzungsverhalten junger Menschen mit digitalen Medien analysiert und allgemeine Phänomene und Entwicklungen thematisiert, die sich in Bezug auf Facebook & Co. ergeben. Der Bezug zur Schule ist häufig nur indirekt zu finden. Es ist eher eine Klientelbeschreibung. Wie ticken unsere Schüler? Wie lernen sie heute und warum verhalten sie sich so, wie sie es tun?
Wichtige Merkmale des Web 2.0 werden dargestellt, die Relevanz für die Gesellschaft im Allgemeinen und für junge Menschen im Besonderen wird verdeutlicht. Zuweilen werden die Betrachtungen regelrecht philosophisch.

Dabei ist das Buch keine unreflektierte Lobeshymne auf soziale Medien! Zahlreiche problematische Aspekte, wie beispielsweise die (verlorene) Privatsphäre in sozialen Netzwerken, werden diskutiert. Das Kapitel "Interaktionen mit Schülerinnen und Schülern auf Social Media", als weiteres Beispiel, weist vorwiegend auf Gefahren hin. Diese sind in der aktuellen Diskussion um ein Verbot des Umgangs von Lehrern und Schülern über soziale Netzwerke (aktuell in Bayern und Baden-Württemberg) in den Medien zu verfolgen. Wampfler fordert hier zwar kein Verbot sondern klare Regeln, die Grundstimmung des Kapitels lässt aber eine eher ablehnende Tendenz erkennen.

An vielen anderen Stellen weist der Autor aber auch auf die erheblichen Vorteile hin, die soziale Medien für Lehrer untereinander bzw. Schüler untereinander bieten. Der Aufbau eines individuellen Lernnetzwerks wird hier besonders hervorgehoben.

Ein weiteres erwähnenswertes, weil deutlich schulbezogenes, Kapitel ist das über ein mögliches Social Media Profil einer Schule.
Die Möglichkeiten und Gefahren werden angeführt, bleiben aber recht allgemein. Vor allem die möglichen Ziele/Vorteile bleiben vage.

Wampflers Buch entstand beim Führen seines Blogs, was sich an vielen der 77 Abschnitte des Werkes noch erahnen lässt, haben die einzelnen Texte doch häufig Blogpostlänge und behandeln einen abgeschlossenen Gedankengang. Für einen Ratgeber ist das optimal. Nimmt man ihn immer wieder mal zur Hand, ist die Kleingliedrigkeit von Vorteil.

Der Autor schildert nicht nur seine eigenen Ansichten sondern lässt noch eine Vielzahl anderer Personen zu Wort kommen. Er zitiert gerne und häufig. Das Literaturverzeichnis liest sich (neben den Belegen zu diversen Studien) wie das ¨Who-is-who¨ des deutschsprachigen Bildungsbloggertums. Ein weiteres Merkmal der blogbezogenen Entstehung des Buches. Ich persönlich empfinde die dadurch entstehende Abwechslung als durchaus bereichernd.

Zum Schluss sei noch die Frage aufgeworfen, für wen sich die Lektüre dieses Buchs empfiehlt.
Wer die JIM-Studie und ähnliche Erhebungen gelesen und den aktuellen Stand der Diskussion zum Thema verfolgt, wird hier nur bedingt Neues erfahren.
Wer zu dem Thema noch gar nichts weiß, wird hingegen in viele Facetten eingeführt und mit den Gefahren vertraut gemacht. Ob die beschriebenen Vorteile einem gänzlich unerfahrenen Leser jedoch klar werden, ist zweifelhaft. Hier wird durchaus Vorwissen verlangt, um der Diskussion folgen zu können. Die Vorschläge zum Aufbau eines Lernnetzwerks sind gut, die angedeuteten Einsatzmöglichkeiten im Unterricht tadellos aber für letztgenannte Lesergruppe in der Kürze nicht nachvollziehbar.
Am ehesten empfehle ich deshalb das Werk Lehrern, Eltern und anderen am Lernen und an Social Media Interessierten, die sich ein wenig mit der Materie auskennen. Durch die Breite der Themen, die in den zahlreichen Kapiteln behandelt werden, ist für jeden etwas dabei.

Ich hätte mir bei einem Buch mit diesem Titel eine stärkere Fokussierung auf die Einsatzmöglichkeiten von Social Media im Unterricht gewünscht. Hier finden sich nur wenige Seiten. Ferner bleiben die Ausführungen eher auf einer Metaebene und der Blick in den Klassenraum entsprechend unkonkret.

Ich bedanke mich beim Autor für die Zusendung des Rezensionsexemplars.

Mittwoch, 2. Oktober 2013

Lehrers Wunsch nach verlässlicher Technik

Jöran Muuß-Merholz, hielt auf der Openmind-Konferenz im August 2013 einen Vortrag mit dem Titel "Warum die Digitale Revolution des Lernens gescheitert ist". Eine seiner Aussagen ist mir besonders im Gedächtnis geblieben und hat mich bewogen, diesen Blogbeitrag zu schreiben.

"Wenn Technik nur zu 90% funktioniert wird sie von Lehrern nicht genutzt." 
(Eigentlich war das Zitat etwas länger. Die Kernaussage wird aber wohl auch so deutlich.)

Im Rahmen meiner kollegialen Medienberatung habe ich die Erfahrung gemacht, dass dies tatsächlich einer von mehreren Gründen ist, warum die Bereitschaft von Lehrern abnimmt, Technik einzusetzen. Das hört sich für Außenstehende erst mal seltsam an. Warum braucht diese Berufsgruppe so zuverlässige Technik? 90% ist doch schon mal was. Ich wünschte, mein PC würde das schaffen.
Diese Entscheidung von Lehrern beruht auf zwei Überlegungen:
  • Zum einen ist der Druck der curricularen Obligatorik groß. Wer wertvolle Unterrichtszeit durch fehlerhafte Technik verliert, läuft Gefahr, seinen Unterrichtsstoff nicht durchzubekommen.
  • Zum anderen empfinden viele Kollegen Situationen, in denen sie nicht ¨Herr der Lage¨ sind als Gesichtsverlust gegenüber ihren Schülern. Schüler nehmen dies übrigens ebenso war. Äußerungen wie ¨Herr/Frau xy hat mal wieder versucht einen Computer zu benutzen - ein einziges Fiasko¨, hört man gelegentlich in Flurgesprächen zwischen Schülern. 

Diese Überlegungen sind im Übrigen auch die Ursache für die folgenden andere Gründe, die Lehrer nennen, wenn sie über geringen Technikeinsatz in ihrem Unterricht berichten.
  • Mangelnde Kenntnisse im Umgang mit Technik
  • Das Vergessen der Kenntnisse, wenn die Technik nur selten im Unterricht verwandt wird
Auch hier schwingen fast immer Zeitmangel und Angst vor Gesichtsverlust gegenüber den Schülern mit.


Lösungsansätze:

1. Technik verbessern.
  • Die oben angeführten 90% sind für eine Schule schon ein ganz ansehnliches Ergebnis. Um dies zu erreichen müssen finanzielle Mittel und Arbeitsstunden zur Anschaffung, Administration und Wartung der Technik zur Verfügung stehen.
  • Ferner ist eine klare Zuordnung der Zuständigkeien wichtig. Wenn ein Lehrer fehlerhafte Technik melden kann und sich darauf verlassen kann, dass diese zeitnah wieder in Ordnung gebracht wird, wird seine Bereitschaft, dieses Gerät einzusetzen, nicht so stark abnehmen.
  • Schulische Technik sollte möglichst einfach bedienbar und wenig anfällig sein. Jöran Muuß-Merholz hierzu: 



Da ich selbst kaum Erfahrungen mit Geräten der Firma Apple besitze, werde ich das mal unkommentiert stehen lassen. 

2. Förderung der Medienkompetenz der Lehrer 
Wenn ein Gerät nicht so funktioniert, wie es soll, liegt das nicht immer an der Technik. Das Wissen um die Funktionsweise und die Fähigkeit, kleinere Hürden zu umschiffen, sind Aspekte einer Medienkompetenz, die ein Lehrer beim Einsatz im Unterricht haben sollte. Je souveräner der Umgang mit digitalen Geräten ist, desto seltener kann Unterricht durch unerwartetes Verhalten der Technik gesprengt werden.

3. Verringerung der Obligatorik
Wer weniger verpflichtende Themen in seinem Unterricht behandeln muss hat mehr Zeit für aktuelle Themen, für neue Methoden und natürlich auch für erste Schritte in der digitalen Unterrichtswelt.


Fazit:
Meiner Meinung nach ist die Bereitstellung gut funktionierender Technik die Grundlage für digitale Arbeit im Unterricht. Werden die unter dem Punkt 1. genannten Lösungsansätze zur Verbesserung der Technik nicht beherzigt, werden es immer nur einige wenige technikaffine Lehrer sein, die ihre eigenen Tablets und Beamer anschließen oder mit veralteten Laptopwagen Schüler von Problem zu Problem begleiten. Maik Riecken fasst dies in 140 Zeichen auf seine Weise zusammen:

Ist diese Grundlage geschaffen (oder zumindest absehbar), kann eine gezielte, dauerhafte und durch kurze Wege gekennzeichnete Stärkung der Medienkompetenz der Lehrer auf fruchtbaren Boden fallen.
Dass diese Kompetenzförderung vonnöten ist, zeigen zahllose Beispiele aus den letzten Jahrzehnten. An vielen Schulen wurden teure Computerräume, Laptopwagen oder gar -klassen eingeführt, ohne für eine hinreichende Weiterbildung des Kollegiums zu sorgen. Die Folge sind frustrierte Schüler, Lehrer und Eltern und jede Menge verwaister Geräte. Eigentlich ein alter Hut. Und schlimm genug: immer noch aktuell.

Es gibt noch zahlreiche weitere Gründe, die Lehrer dazu bewegen, keine Technik einzusetzen. Diese haben jedoch, anders als die oben genannten Gründe, zum Teil andere Ursachen. Eine wunderbare Übersicht hat Beat Doebeli Honegger hier entstehen lassen. Zwar werden dort Argumente gegen eine 1:1-Ausstattung aufgezeigt, viele dieser Bedenken lassen sich aber auch grundsätzlich auf den Einsatz von Technik in der Schule übertragen.

Dienstag, 17. September 2013

Wiki über die Schulgrenzen hinaus

Beim zweiten deutschen Edchat, einem wilden und überaus bereichernden Twitter-Gewitter über ein abgesprochenes Bildungsthema (hier: Kollaboration), kam bei mir die Frage auf, ob wohl schon jemand Erfahrungen mit schulübergreifender Kollaboration hätte. Schließlich lernen in einem Bundesland alle Schüler dieselben Themen. Da wäre eine Zusammenarbeit gut möglich.

Die Erfahrungen beim Educhat bezogen sich meist auf informelle Lerngruppen, die Schüler z. B. über Facebook selbst ins Leben rufen. Das entspricht auch den Aussagen, die ich von den Schülern bekomme.


Mir schwebt da aber eher eine konkrete Unterrichtseinheit vor, in der man mit Kursen anderer Schulen zusammenarbeitet. So können die Inhalte strukturiert, visualisiert und umfangreich dokumentiert werden. Anders als bei einem kursinternen Wiki muss man hier mit fremden Personen diskutieren und kooperieren.

Deshalb mein Aufruf:

Welche engagierte, technisch interessierte Erdkundelehrkraft aus Niedersachsen hat Lust mit ihrem/seinem und meinem Kurs (Jg. 12, grundlegendes Niveau) zum Thema Tourismus in Australien/Ozeanien etwa ab Dezember(?) ein gemeinsames Wiki zu erstellen.

Und wenn sich jemand findet, wie könnte so eine Zusammenarbeit aussehen?

  1. Es ist nicht zu erwarten, dass die Kurse an den unterschiedlichen Schulen zeitgleich stattfinden. Somit ist eine forenartige, zeitversetzte Diskussion der Schüler über die entsprechende Funktion des Wikis essenziell.
  2. Wir Kollegen müssten vor allem den Informationsinput ein wenig steuern bzw. absprechen. Unterschiedliche Lehrbücher, -filme, Hörbeiträge und gerne auch Experteninterviews sorgen für unterschiedliche Beiträge und fruchtbare Diskussionen im Wiki.
  3. Teilanonymität sollte gewahrt werden. D. h. Schüler nutzen ein Pseudonym, das nur dem Lehrer bekannt ist. So können sie ohne Hemmungen schreiben, ohne die Gefahr, unflätig beschimpft zu werden.
  4. Vielfalt! Ergebnisse sollten nicht nur schriftlich festgehalten werden. Filme, Hörbeiträge und Animationen dürfen und sollen gerne in das Wiki eingebunden werden. So macht das Lernen für's Abitur Spaß.

Außerdem sind noch Fragen zu klären:

  • Wie bewertet man so etwas? Welche Kriterien werden festgelegt?
  • Sollte eine Vorstrukturierung nach Teilthemen erfolgen? Ich denke schon.
  • Welcher Wiki-Dienst wird gewählt?
  • Wie wird die Qualität gesichert? Schließlich lernen die SuS' nach diesem Wiki für ihr Abitur. Da dürfen eigentlich keinerlei Fehler drin stehen.
  • Wie viel Kollaboration ist zu viel? Ich denke, es sollten zunächst nicht mehr als drei Kurse zusammenarbeiten.
  • Ach ja: Und wo machen wir das abschließende Kurstreffen?

Hat jemand Lust?

Mittwoch, 10. Juli 2013

Hinderungsgründe bei der Erstellung von Open Educational Resources

Remix des Logos von Jonathas Mello CC BY 3.0 - 
Quelle und Lizenztext siehe unten. 
Ich bin ein Freund von Open Educational Resources. Das bin ich wirklich. Und doch muss ich immer wieder auf die Frage, wo man denn meine gesammelten Werke, meinen Beitrag zur offenen Bildungsmaterialrevolution finden kann, ausweichend und kleinlaut antworten, dass da so ganz viel noch nicht zustande gekommen ist.
Nun bin ich einmal in mich gegangen, um die Ursachen für dieses Missverhältnis zu verstehen.


Heraus kamen folgende vier Gründe, die mir das Erstellen von OER erschweren:


1. Schutz geistigen Eigentums
Selbstverständlich habe ich unglaublich viele Arbeitsblätter, Präsentationen und Tafelbilder am Computer erstellt. Ich habe jedoch in den letzten Jahren, so wie die meisten meiner Kollegen, mit Schulbüchern gearbeitet. Im Zuge der zunehmenden Digitalisierung haben die Verlage ein regelrechtes Ökosystem um ihre Schulbücher generiert. Man bekommt Online-Ergänzungen, digitale Schulbücher, Zusatzprogramme etc. Im besten Fall sind diese fein aufeinander abgestimmt. Dementsprechend sind meine eigenen Materialien häufig auf die Schulbücher bezogen oder (seit einigen Wochen darf man das ja) sogar mit Abbildungen aus den Verlagsmaterialien versehen. Und hier hakt es natürlich. Erstens macht es nur bedingt Sinn, ein Arbeitsblatt zu veröffentlichen, das sich auf Texte und Diagramme aus einem ganz konkreten Schulbuch bezieht (ein Beispiel, wo ich es doch gemacht habe, findet sich hier), zweitens darf ich natürlich nichts verbreiten, was urheberrechtlich geschützte Inhalte aufweist. Meine bisherige ¨verlagsorientierte¨ Arbeitsweise (die bis vor kurzem auch tadellos funktionierte) erschwert somit die Veröffentlichung meines umfangreichen Datenbestands. Um sich davon zu lösen müsste ich jede Unterrichtseinheit neu konzipieren und mit neuen, offenen oder ganz und gar selbst gestalteten Materialien versehen. Eine Mammutaufgabe, die hemmt und besonders bei dem Unterricht, der ganz besonders gut lief, nicht wirklich einzusehen ist.

2. Originalquellenorientierung
Ich habe mir sagen lassen, in vielen Fächern sei es nicht angemessen, selbst Verfasstes einzubringen. Zumindest nicht in der Sek II. Dort nehme die Originalquellenanalyse einen bedeutenden Platz ein, hieß es. Besonders die Auswertung historischer Dokumente im Geschichtsunterricht dürfe keinesfalls ersetzt werden, durch einen didaktisierten, selbst verfassten Text. Nun bin ich kein Historiker aber der Argumentation kann ich ein Stück weit folgen. Vermutlich macht es auch keinen Sinn im Deutschunterricht lediglich selbst verfasste Lyrik zu lesen oder in Musik ausschließlich eigene Stücke zu analysieren. Und auch in Erdkunde macht eine Gegenüberstellung von Texten von Greenpeace und Shell mehr Sinn, als eine von mir geschriebene Zusammenfassung. In Mathematik mag dies weniger eine Rolle spielen und auch in der Sek I sehe ich mehr Möglichkeiten.

3. Moodle der Verführer
Mit Moodle (und natürlich auch mit allen anderen Lernmanagementsystemen) ist es mir möglich neben OER auch sämtliches frei zugängliches Material einzusetzen, das nicht CC-lizensiert ist. Jedes Material im Internet, das nicht durch eine Passwortsperre geschützt ist, kann per Link eingebunden werden. Homepages, pdf-Dateien, Filme, eBooks, Hörbeiträge... alles was das Herz begehrt. Solange ich diese Quellen nicht einbette, sondern lediglich darauf verlinke, ohne ein Vorschaubild zu verwenden, ist es völlig egal, unter welcher Lizenz das Material veröffentlicht wurde. Da es unter diesen Voraussetzungen so unglaublich viele Materialien im Internet gibt, die ich einsetzen kann, besteht für mich nicht oft die Notwendigkeit, eigenes Material zu entwerfen.

4. Fehlende Ausstattung
OER machen vor allem in Kombination mit digitalen Endgeräten Sinn. Klar kann man zumindest Arbeitsblätter auch kopieren und austeilen, das treibt jedoch meine Kopierkosten in die Höhe. Solange noch nicht alle Schüler mit einem eigenen Gerät ausgestattet sind bzw. ich noch keine schuleigenen, mobilen Geräte zur Verfügung habe, muss ich Kompromisse eingehen beim Einsatz im Unterricht. Wenn ich einen Kurs vor mir habe, der nur zu 2/3 mit eigenen Geräten versorgt ist, überlege ich es mir gut, ob ich  ein digitales Arbeitsblatt entwerfe und einsetze, oder doch wieder auf das Schulbuch zurückgreife. Schließlich erreiche ich so nur einen Teil der Klasse (z. B. in arbeitsteiliger Gruppenarbeit).

Fazit: Ich werde wohl auch im kommenden Schuljahr auf Schulbücher setzen und den Unterricht mit Internetquellen lediglich unterstützen bzw. differenzieren. Dennoch werde ich an ausgesuchten Stellen OER generieren und einsetzen. Zum Beispiel könnte ich bei Moodle die Arbeitsaufträge, Links etc. nicht "direkt" in dem Lernmanagementsystem eintragen, sondern ein Google-Dokument erstellen, das ich dann sowohl in den Kursverlauf innerhalb von Moodle einbinden, als auch über das Internet mit Kollegen teilen kann.
Ferner werde ich für eine zunehmende Ausstattung der Schüler werben, um den Einsatz digitaler Medien im Unterricht insgesamt voranzubringen (siehe Hinderungsgrund Nr. 4).

Bildnachweis:
Remix des Logos von Jonathas Mello 

Donnerstag, 11. April 2013

Geräte raus, der Unterricht fängt an..! - Erfahrungsbericht über sechs Monate BYOD


Meine Schüler dürfen ihre eigenen Geräte in den Unterricht mitbringen und mit meiner Erlaubnis nutzen. Nachdem seit Beginn des Schuljahres mein Fachraum mit einem WLAN-Router versehen wurde und die Schüler in der Lage sind, sich passwortgeschützt in das Schulnetzwerk einzuloggen, konnte es endlich losgehen mit BYOD.
Fein :-)

Hier möchte ich nun über die von mir erlebte Entwicklung in den letzten sechs Monaten berichten.

1. Phase des ungläubigen Herantastens
“Wer von euch hat denn ein Smarphone dabei? Ich würde gerne ausprobieren, ob ihr euch damit ins Schülernetz einwählen könnt. Dann könnte ich das im Unterricht einplanen.” So, oder so ähnlich, hat es begonnen.
Wobei die Schüler, die es gewohnt waren ihr Handy lediglich heimlich auf der Toilette oder in abgelegenen Fluren zu nutzen, da es ihnen sonst weggenommen würde, zunächst zögerlich auf die Aufforderung reagierten, ihr Spiel-, Kommunikations- und Informationsgeräts im Unterricht einzusetzen.
Sie hatten noch keine Erfahrung mit dieser Situation, wussten noch nicht so recht, was sie durften und was nicht. Viele machten einen staunend, ungläubigen Gesichtsausdruck. In dieser Phase galt es Regeln zu vereinbaren (viel war gar nicht nötig) und noch nicht die dicke, kollaborative Keule zu schwingen. Es wurden deshalb in den ersten Stunden lediglich vorgegebene Informationen aus dem Internet abgerufen. Mal ein Text, mal ein kurzes Youtube-Video. Da längst nicht jeder ein Smartphone (dabei) hatte, wurde darauf geachtet, genügend Offline-Material zur Verfügung zu stellen. So konnten weniger technikaffine Schüler, zunächst ohne das Internet oder in Partnerarbeit mit den Handybesitzern, die gleichen Lernerfolge erzielen.

2. Phase der forschen Aufrüstung
Diese Phase begann bei einigen Schülern bereits in der zweiten Stunde. Sobald klar war, dass man technisches Gerät nutzen durfte, wurde es auch herangeschafft. Bald waren immerhin bis zu vier Laptops parallel zu den bestehenden Schülerhandys im Einsatz.
Bei anderen stellte sich der Prozess deutlich später ein. In jedem Fall bleibt festzuhalten, dass ich nun, nach einem halben Jahr, eine Vollversorgung meines Kurses vorweisen kann. Jeder hat mindestens ein WLAN-fähiges Smartphone. Tablets sind übrigens interessanterweise nicht dabei!

3. Phase der Abschwächung
Diese Phase betraf nur die Schüler, die einen Laptop mitbrachten. Die schweren Geräte wurden nach anfänglicher Euphorie nun nicht immer und von jedem mitgenommen. Das hatte mehrere Gründe:
  1. Während die Einbindung von Smartphones ins Schülernetzwerkt ohne Probleme funktionierte, gab es bei den Laptops z. T. erhebliche Schwierigkeiten, da für die Einwahl in das Schulnetz ein Sicherheitszertifikat an äußerst versteckter Stelle eingefügt werden musste. Das nötige Prozedere für diese Einbindung war bei allen Betriebssystemen und Betriebssystemversionen unterschiedlich. Das erschwerte die Einbindung der Geräte erheblich. Fazit: Technik, die nicht funktioniert, nimmt man nicht mit.
  2. Manchmal wurden die Laptops mitgebracht, ohne dass damit (intensiv) gearbeitet wurde, bzw. das Smartphone hätte es auch getan. Fazit: Technik, die man nicht unbedingt braucht, nimmt man nicht mit.
  3. Häufig standen Informatikräume zur Verfügung, so dass der Unterricht stattfinden konnte, auch wenn die Schüler nicht ihre Laptops eingepackt hatten. Fazit: Technik, die man nicht unbedingt braucht … ach, das hatten wir schon.
  4. Die Dinger sind wirklich verflixt schwer.

4. Phase der Professionalisierung
Die Nutzung der Schülergeräte zur Informationsaufnahme wurde im Unterricht recht zügig ergänzt durch die Nutzung zur Erstellung eigener Inhalte. Mindmaps, Wikis, Slide- und Podcasts wurden erstellt, verschiedene Internetdienste genutzt. Die Lust zur Mediennutzung und -produktion war auf Schülerseite klar gegeben. Die Kompetenz wuchs zusehends. Und mit ihr auch die Ansprüche der Schüler. Und zwar erheblich. Sie sprengte schnell die Möglichkeiten, die die Smartphones boten. Wenn der Arbeitsauftrag die Erstellung eines kurzen Hörbeitrags vorsah, der mit der Aufnahmefunktion eines Handys hätte erledigt werden können, wurden von den Schülern teuer aussehende Studiomikrofone und Laptops mit Schnittsoftware aufgefahren.

Fazit:
  • Medieneinsatz und -produktion ist bei den Schülern beliebt und bringt Motivation und Abwechslung in den Unterricht. Das wird von ihnen auch GANZ DEUTLICH kommuniziert.
  • Schüler möchten möglichst professionelle Arbeitsergebnisse abliefern und streben nach hoher Funktionalität ihrer Geräte.
  • Aber: beim Lesen/Video schauen reicht den meisten ihr Handy. Steht parallel dazu ein schuleigener, hochgefahrener Laptop bereit, wird von der Mehrheit das eigene Gerät bevorzugt.
  • Auch wenn nur wenige Laptops im Kurs zur Verfügung stehen, kann Medienproduktion stattfinden. Dann meist in Gruppenarbeit, da z. B. die Erstellung eines komplexen Wirkungsgefüges auf einem Handy nur sehr bedingt möglich ist. Das klappt, macht aber nur bis zu einer gewissen Gruppengröße Sinn, da sonst nicht alle mitarbeiten (können).

Ausblick:
Da stehe ich nun, bin begeistert vom Elan meiner Schüler und von den Möglichkeiten, die mobile Endgeräte dem Unterricht bieten. Und doch bin ich erschrocken, wie schnell wir an die Grenzen gestoßen sind. Smartphones sind nett, man kann schöne kleine Sachen damit machen. Aber einem medial geschulten Kurs reicht das nicht. Die Funktionalität eines PC hat diese Gerätegattung halt nicht.
Gerne würde ich jetzt mit einem schuleigenen Klassensatz an 10-Zoll-Tablets weiterarbeiten. Vielleicht sind diese die Lösung für das Dilemma, dass auf der einen Seite Laptops eigentlich zu schwer sind, um sie für den Einsatz in lediglich einem Fach mitzuschleppen und dass auf der anderen Seite Smartphones nicht leistungsfähig und groß genug sind für anspruchsvolle Arbeit. Nur haben wir leider (noch?) keinen solchen Klassensatz ;-)
Die andere Möglichkeit wäre, die zwar geringen aber durchaus lohnenswerten Möglichkeiten der Smartphones gezielter einzusetzten und dafür auf die Qualität der Arbeiten zu verzichten. Bei einem ersten Versuch mit einem von Schülern erstellten “in-plain-english”-Videos hat das sehr gut geklappt. Auch ohne zusätzlich angeschlossene Profi-Mikrofone, Videoschnittsoftware oder mehrspuriger Audiobearbeitungsprogramme konnten feine Ergebnisse erarbeitet werden.